„Spitzenmedizin ist gut, aber Breitenversorgung ist unverzichtbar“

Podiumsdiskussion am 22. Mai 2025 im Altenberger Hof

Was passiert mit der Gesundheitsversorgung im links- und rechtsrheinischen Kölner Norden, sollten – wie von der städtischen Klinikgesellschaft und dem Rat beabsichtigt – das Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße und das Krankenhaus Holweide in einigen Jahren schließen und deren Leistungen nach Merheim als zukünftig dann einzigem Standort verlagert werden? Welche Auswirkungen hätte dieser Schritt auf die medizinische Versorgung in Köln insgesamt? Und wäre es nicht lohnenswert, dieses Vorhaben noch einmal zu überdenken?

Prominent besetzte Podiumsrunde

Das waren die Themen des Abends bei der sehr kontrovers geführten Podiumsdebatte „Weniger Kliniken, weniger Betten, weniger Personal: Wie sollen die Kölner Bürger/-innen in Zukunft versorgt werden?“ des Aktionsbündnisses KÖLNER KLINIKRETTER am Donnerstag, 22. Mai, im Clubraum des Bürgerzentrums Altenberger Hof.

„Durch Zentralisierung und Verkleinerung der Krankenhauslandschaft soll ein Ausweg aus der kranken Krankenhausfinanzierung gefunden werden“, stimmte Najib Ramz, 1. Sprecher der KÖLNER KLINIKRETTER, bei seiner Begrüßung die rund 30 Gäste im Saal ein. „Das wird als Verbesserung der Versorgung dargestellt – aus unserer Sicht ist es jedoch ein Rückbau.“

Podiumsdiskussion am 22. Mai 2025 im Altenberger Hof: Bernd Petelkau, Christian Joisten und Mechthild Böll
Podiumsdiskussion am 22. Mai 2025 im Altenberger Hof: Bernd Petelkau, Christian Joisten und Mechthild Böll auf dem Podium.

Hochkarätige Gäste hatten sich für die zweistündige Debatte auf dem Podium eingefunden: Bernd Petelkau, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kölner Stadtrat, sein SPD-Amtskollege Christian Joisten, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Ratsfraktion Mechthild Böll, deren fachliche Kollegin Friederike Stolle, Direktkandidatin (DieLinke) für Deutz, sowie Henning Frey, Direktkandidat des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) für Holweide, seit vier Jahren im Einladerkreis für die Versammlung in Holweide gegen die Klinikschließungen aktiv, und Susanne Quast, Betriebsratsvorsitzende der Sana-Kliniken Düsseldorf und zugleich Sprecherin der Initiative „Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen NRW“. Sie alle diskutierten mit dem Hausarzt a.D. Walter Klüwer, 2. Sprecher der KÖLNER KLINIKRETTER, der ebenfalls auf dem Podium Platz nahm, sowie seinem Aktionsbündnis-Kollegen Hermann Kotthaus als Moderator des Abends.

Große Ratsfraktionen werben für Kliniken-Zentralisierung in Merheim

In ihren Eingangs-Statements verwiesen die Mitglieder der großen Ratsfraktionen, die die Verlegung nach Merheim unterstützen, auf die vermeintlichen Vorteile eines solchen Schritts. Die Versorgungsqualität werde durch den gemeinsamen Standort steigen, die Transportwege für schwerkranke Kinder würden kürzer und zukünftig hätte die (neue) Kinderklinik einen eigenen Hubschrauber-Landeplatz, betonte Joisten. Allerdings könnte bereits heute die Kinderklinik Amsterdamer Straße den Heliport des Cellitinnen-Krankenhauses St. Vinzenz mitbenutzen, in besonders kritischen Fällen können Hubschrauber auch im direkt der Kinderklinik benachbarten Johannes-Giesberts-Park landen. „Wir wollen eine Milliarde Euro investieren, um auf lange Sicht wirtschaftlicher zu arbeiten und das jährlich auflaufende 80-Millionen-Defizit der Kliniken zu reduzieren“, so der SPD-Fraktionschef.

„Besser, wir investieren in die Zukunft, als jährlich Geld zu verbrennen“, schloss sich die gesundheitspolitische Grünen-Sprecherin Böll der Darstellung an. Allein pro Woche liefen zwei Millionen Euro an Verlust bei den städtischen Kliniken auf. Die Fusion bedeute faktisch keinen Bettenabbau, sondern die Zahl der bewirtschafteten Betten erhöhe sich im Gegenteil sogar, ergänzte sie. CDU-Fraktionschef Petelkau betonte die entstehenden Synergien durch die Zentralisierung der Kliniken.

Widerspruch der übrigen Podiumsgäste

Ganz anders die beiden Gäste von BSW und Linken sowie die Gesundheitsinitiativen-Vorsitzende Quast. „Man sieht an den Tätigkeiten wie den Demos, Kundgebungen und der Online-Petition, dass sich insgesamt mehr als 80.000 Menschen für den Erhalt aussprechen und die Kölner Bürger diese Kliniken brauchen“, so Frey. „Die Bevölkerung ist gegen die Schließung und Zentralisierung der Krankenhäuser.“

Es gelte, beide zur Schließung vorgesehenen Kliniken unbedingt zu erhalten, durch Anwerbung und Ausbildung mehr Pflege-Kapazitäten zu schaffen, appellierte Stolle. „Eine Refinanzierung der vorgesehenen hohen Investitionen ist weder berechnet noch überhaupt zu erwarten“, gab Quast zu bedenken. „Es ist allgemein äußerst schädlich, wenn Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften müssen. Dadurch wird die patientenorientierte Versorgung geschädigt.“

Lange Odysseen vor der Geburt, schlechte ÖPNV-Anbindung in Merheim

Auf einen weiteren gravierenden Aspekt des Kliniksterbens wies eine Meldung aus dem Publikum hin. „In Deutschland sind in den vergangenen Jahren 55 Geburtsstationen abgebaut worden. Heutzutage müssen Mütter vor der Geburt, trotz vorheriger Anmeldung, häufig mehrere Krankenhäuser anfahren, um überhaupt eine Geburtsbetreuung zu erhalten.“ Die Unterbringung erfolge oft gezwungenermaßen in allerletzter Minute, wenn die Geburt ganz unmittelbar bevorsteht. Das Argument von Viola Recktenwald (SPD) in der Diskussion der KAB am 10. März, die zusätzliche Fahrtzeit von Chorweiler falle angesichts der Wartezeit in der Notaufnahme kaum ins Gewicht, sei im Übrigen zynisch.

Joisten entgegnete darauf, man werde sich für eine Kinder-Notfallbehandlung in Riehl einsetzen, etwa durch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) – dazu sei von unserer Seite angemerkt, dass derartige Notdienstpraxen immer Zuschussgeschäfte sind, und weder Stadt noch Kassenärztliche Vereinigung (KV) als Finanzierer denkbar sind. Im Übrigen sollen, laut der KV-Direktive für Portalpraxen, derartige Anlaufstellen räumlich direkt an ein Krankenhaus angebunden sein. Auch kündigte er an, man werde die KVB-Anbindung des Merheimer Klinik-Campus verbessern, um den neuen Standort erreichbarer zu machen (während in der praktischen Erfahrung der vergangenen Jahre eher Takt-Ausdünnungen, Schienenersatzverkehre und wegfallende Verbindungen bei Bus und Bahn das Bild bestimmen!).

Unterfinanzierung der Kliniken durch Land NRW als wesentliche Ursache der Misere

Eine wesentliche Ursache für das Kölner Klinik-Defizit liege ganz woanders, betonte erneut Walter Klüwer – nämlich an der chronischen Unterfinanzierung der Klinik-Investitionen durch das Land NRW. „Wir haben eine kranke Krankenhausfinanzierung. Die Investitionen, für die der Staat zuständig ist, erfolgten nur zu 20 Prozent des Sollbetrags. Weitere 40 Prozent werden aus Klinik-Eigenmitteln bzw. Darlehen bestritten, die restlichen 40 Prozent verbleiben als Sanierungsstau“, erläuterte er. „Bei einem Investitionsbedarf in die Gebäude und die Geräte bei Krankenhäusern der Maximalversorgung von etwa 10 Prozent des Umsatzes bleibt das Land NRW aus zwölf Jahren seit 2011 insgesamt 340 Millionen Euro schuldig.“

Wegen seiner Strukturschwäche in der Gesundheitsversorgung sei Köln, neben dem Hochsauerlandkreis, eine der zwei ausgewiesenen Gesundheitsregionen des Landes NRW, verbunden mit 0,75 Millionen Euro Zusatzförderung in drei Jahren. „Und trotz der Anerkennung als Gesundheitsregion wird das Kinderkrankenhaus geschlossen.“ Bei einer Verlagerung nach Merheim würden die Patienten mit den Füßen abstimmen; es müsse sich zeigen, ob sie in die neue Einrichtung überhaupt mitgehen. „Schauen Sie sich die Postleitzahlen der Patienten an, wie die Patientenströme heute sind“, riet er wegen der geplanten Krankenhaus-Verlegung.

Die Gesundheitsregion schaffe zwischen Chorweiler und Nippes ganz neue Möglichkeiten, behauptete Böll hinsichtlich des NRW-Projekts. „Sowohl Pflegekräfte als auch Ärztestellen werden nicht abgebaut, sondern Verwaltungsstrukturen. Plan ist, mehr Pflegekräfte zu gewinnen.“ Letztlich zog Quast die komplette Finanzierung des Umzugs, und des zukünftigen Betriebs, in Zweifel. „Ein Businessplan für die geplante zukünftige Kliniklandschaft liegt nicht vor. Es handelt sich um ein kaufmännisches Fiasko. Spitzenmedizin ist gut, aber Breitenversorgung ist unverzichtbar“, resümierte sie.

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